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Vertrauen stärken: So gelingt der erste Turnierstart
16.02.2016 / Wissen

Ein Ausritt bringt nicht nur Abwechslung in den Trainingsalltag – hier kann man auch bestimmte Situationen (etwa das Entfernen von seinem Artgenossen) üben.
Ein Ausritt bringt nicht nur Abwechslung in den Trainingsalltag – hier kann man auch bestimmte Situationen (etwa das Entfernen von seinem Artgenossen) üben. / Foto: Barbara Leitner
Ein Ausritt in der näheren Umgebung bietet auch die Gelegenheit, das Pferd an neue Eindrücke, an Maschinen, Geräte oder an bunte Plakate zu gewöhnen.
Ein Ausritt in der näheren Umgebung bietet auch die Gelegenheit, das Pferd an neue Eindrücke, an Maschinen, Geräte oder an bunte Plakate zu gewöhnen. / Foto: Corinna Widi
Enorm wichtig ist es, das Pferd rechtzeitig vor dem Turnierstart an den Hänger und das Ein- und Aussteigen zu gewöhnen – und zwar ohne Hektik und Zeitdruck.
Enorm wichtig ist es, das Pferd rechtzeitig vor dem Turnierstart an den Hänger und das Ein- und Aussteigen zu gewöhnen – und zwar ohne Hektik und Zeitdruck. / Foto: Martin Haller

Wie kann ich mein junges Pferd optimal vorbereiten, damit es seine ersten Prüfungen am Turnier ruhig und gelassen absolviert? Hier einige Tipps von ProPferd-Autorin Barbara Leitner.

 

Diese Erfahrung haben gewiss schon viele gemacht: So konzentriert und intensiv hat man mit seinem Pferd trainiert, und die Lektionen haben schon so gut und sicher geklappt – und dennoch ist beim Turnierstart dann soviel danebengegangen! Dabei hat doch Zuhause in der Halle alles so super geklappt! Was war denn da los?

Während man ganz auf das Üben der Lektionen fokussiert ist, wird allzu leicht übersehen, daß vor allem für junge Pferde, die womöglich sogar zum ersten Mal auf einem Turnier starten, der Turnierplatz und das ganze Umfeld mit den vielen neuen Eindrücken eine völlig neue Welt für das Pferd darstellen – und das Pferd darauf mit Stress und Nervosität reagiert. Beides bewirkt eine ,mentale Blockade' – das Pferd kann Erlerntes nicht mehr abrufen, und die Prüfung misslingt.

Um ihrem Pferd den Turnieraufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten, gilt es daher, den Stresspegel auf ein Minimum zu reduzieren oder womöglich ganz auszuschließen. Deshalb ist es besonders wichtig, die mentale Stärke des Pferdes bestmöglich zu fördern, damit es mit neuen Herausforderungen und Aufgaben besser und vor allem gelassener umgehen kann.

Eine korrekte Grundausbildung und ein gesundes Pferd sind unabdingbare Voraussetzungen für den ersten Turnierbesuch – aber ebenso ein gutes und gewissenhaftes mentales Training des Pferdes. Schließlich kann ständiger Stress bei Turnierbesuchen negative gesundheitliche Folgen nach sich ziehen, zu Gewichtsverlust, Durchfall und in manchen Fällen sogar zu Magengeschwüren führen. Ein Grund mehr, auf die mentale Vorbereitung und die Stärkung des gemeinsamen Vertrauens besonderen Wert zu legen.

Mögliche Stressauslöser, die bei einem Turnierbesuch auftreten können, sind u. a.
•    hektische Vorbereitung
•    neue Umgebung und Transport mit dem Hänger
•    Viele andere Pferde und allein bei der Prüfung
•    manchmal wenig Platz am Vorbereitungsgelände
•    laute Musik ( Geräuschkulisse)
•    bunte Vielfalt an Dekorationen und Werbeplanen…
•    Übernachtung des Pferdes bei einem Turnier
Und gegen jeden dieser Auslöser kann man sich mit speziellen Übungen mental wappnen.

Hektische Vorbereitung
Alle Dinge, die für das bevorstehende Turnier zu erledigen sind, wie saubere Kleidung, Vorhandensein aller Sachen die Sie mitnehmen müssen, also das komplette Equipment, sowie Transportmittelüberprüfungen, sollten in der Woche vor dem Turnier erledigt sein.
Am Tag zuvor sollte keinesfalls nervöses und hektisches Treiben im Stall herrschen, weil Sie unter Zeitdruck stehen. Eine gelassene und fröhliche Grundstimmung (ein wenig Lampenfieber ist erlaubt) rund um das Pferd wird für alle von Vorteil sein. Nehmen Sie sich Zeit beim Putzen und einflechten der Mähne. Da Sie Ihrem Pferd dabei ganz nah sind, wird es sogar ihre Atmung und den Herzschlag spüren können. Bereiten Sie also durch Ihre Ruhe und Freundlichkeit Ihrem Pferd eine gute Nacht.

Neue Umgebung und Transport mit dem Hänger
Verlagern Sie wenn möglich Ihre Trainingseinheiten in eine für das Pferd fremde Umgebung wie andere Reithallen, Reitplätze oder Ausreitstrecken, zu denen Sie mit dem Hänger fahren müssen. Hierbei können Sie überprüfen, ob Ihr Pferd willig in und aus dem Hänger steigt, oder ob Sie hieran noch arbeiten sollten. Hängertraining braucht Zeit. Üben Sie daheim das Ein und Aussteigen in Ruhe und mit Geduld.  

Das Verhalten Ihres Pferdes in fremder Umgebung kann Ihnen bereits Rückschlüsse über das mögliche Verhalten auf dem Turnierplatz geben. Dennoch ist ein Turnierbesuch nicht gleichzusetzen mit dem Training außerhalb des eigenen Stalles. Auf einem Turnier ist die ganze Atmosphäre wesentlich gespannter, da die Aufregung aller Beteiligten für das Pferd bereits beim Ausladen aus dem Hänger wahrgenommen werden kann.

Die Gewöhnung des jungen Pferdes in fremder Umgebung an Gerüche, Geräusche, fremde Artgenossen und neue Situationen gehört aber nicht nur zur Vorbereitung auf das erste Turnier, sondern sollte früh genug Bestandteil der Grundausbildung von jedem jungen Pferd sein.

Viele andere Pferde und allein bei der Prüfung
Pferde sind Herdentiere. Das machen sie uns deutlich klar, wenn sie sich besonders in jungen Jahren nicht einmal zehn Meter vom Stall entfernen möchten und versuchen stets in Sichtweite ihrer Artgenossen zu bleiben. Bei der Durchsetzung ihres Willens, meist von empörtem und lautem Gewieher begleitet, wird die Geduld von Reitern, Fahrern oder Besitzern oft in höchstem Maß strapaziert. 

Auf dem Turnierplatz kann genau dieser Herdeninstinkt zum Problem werden. Oft befindet sich ein Abreite oder Fahrplatz in Sichtweite des Turnierplatzes, aber es gibt auch Turniere, vor allem jene die in einer Halle ausgetragen werden, wo das Pferd keinen Sichtkontakt zu anderen Pferden hat. Ohne eine dementsprechende Vorbereitung auf solche Situationen kann dies bei jungen unerfahrenen Pferden zu Komplikationen führen.

Zuhause kann man vorbeugen: Reiten Sie genau dann, wenn sich niemand auf dem Reitplatz oder in der Halle befindet. Bei Ausritten sollten Sie eine kleine Wegstrecke vom Stall weg allein reiten.   (Natürlich Dauer und Strecke den Stallkameraden mitteilen und Handy mitnehmen)   Entfernen Sie sich bei gemeinsamen Ausritten (nach Absprache) von Ihren Mitreitern und reiten nach diesem für das Pferd meist ungewolltem kleinen Alleingang wieder langsam zur Gruppe zurück. Das Pferd sollte hierbei nicht drängen. Wiederholen Sie in diesem Fall ihre kleinen Ausflüge, bis Ihr Pferd merkt, dass kein Grund zur Aufregung besteht und es danach wieder zurück zu seinen Artgenossen kann.  Zu Beginn reichen ca. fünf Minuten Trennung von der Gruppe, in etwa so lange wie eine Prüfungseinheit bei einem Turnier dauern würde. Auch absteigen und führen kann am Anfang hilfreich sein. 

Einen richtigen „Kleber“ sollte man noch behutsamer von einer Gruppe oder aus der Sichtweite zu anderen Pferden entfernen: Beginnen Sie mit Führen vom Stall weg und steigern Sie die Entfernung nach und nach.  Anschließend können Sie diese Einheiten auf dem Pferderücken wiederholen. Bei manchen Ausbildern nicht immer erwünscht aber meist erfolgreich ist die Vergabe von Leckerli oder das Grasen lassen. Fressen beruhigt und das Pferd sollte nach diesem „aufregendem Ereignis“  abschließend eine positive Gedankenverbindung  dazu entwickeln.

Manchmal wenig Platz auf dem Vorbereitungsgelände
Da am Vorbereitungsplatz bei einem Turnier oft akuter Platzmangel herrscht wäre es sinnvoll, bereits bei der Grundausbildung das Pferd mit ihm völlig fremden Pferden in Kontakt zu bringen. Pferde in Freiheit folgen einer Rangordnung.  In der heutigen Zeit, in der es vielen Pferden leider nicht möglich ist  in einer Herde zu leben, weist ihr Verhalten aber immer noch Merkmale vergangener Zeiten auf.

Beim Zusammentreffen an einem gemeinsamen Ort mit begrenzter Ausweichmöglichkeit wie zum Beispiel auf einem Vorbereitungsplatz bei einem Turnier, sollte dem Rangordnungsverhalten zwischen sich fremden Pferden deshalb auch Beachtung geschenkt werden. Mit der Vorbereitung auf diese mögliche Gegebenheit während eines Turnierbesuches reiten Sie zuhause am besten in einer Zeit, in der sich viele Reiter auf dem Platz oder in der Halle befinden. Auch Ausreiten in großen Gruppen ist lehrreich für Ihr Pferd. Traktoren, Autos, Hunde, viele Menschen und die damit verbundenen Geräusche, die ihr Pferd außerhalb des eigenen Stalles neu kennenlernt, erfordern jedes Mal eine neue Einstellung und Bewältigung einer dementsprechenden Situation und ähnelt jener, die Sie auf einem Turnier vorfinden werden. Sie können am Verhalten Ihres Pferdes schnell herausfinden, ob es friedlich, eingeschüchtert, neugierig und aufgeregt ist, oder Dominanz anderen Pferden gegenüber zum Ausdruck bringen möchte. Möglicherweise müssen Sie sich auch eine rote Schleife besorgen, weil ihr Pferd nach anderen austritt. (Anmerkung:  Die rote Schleife im Schweif des Pferdes  bei einem Turnier informiert alle anderen Reiter, dass dieses Pferd nach anderen Pferden ausschlagen kann, sollte der Abstand nicht eingehalten werden)  Bedenken Sie auch, dass das Zusammentreffen vieler fremder Pferde Stress erzeugen kann. Geltende Regeln auf einem Vorbereitungsplatz können durch Aufregung, Unvermögen oder sogar manchmal durch Unkenntnis  des Reiters  oder Fahrers nicht eingehalten werden und zu  gefährlichen Situationen führen. Für alle Anregungen in diesem Artikel sollte immer die Sicherheit im Vordergrund stehen.

Laute Musik (Geräuschkulisse)
Auf vielen Turnierplätzen und vor allem bei Siegerehrungen werden Pferde mit zum Teil sehr lauter Musik und anderen Geräuschen konfrontiert. Geschieht dies plötzlich, kann das schnell zu Unbehagen und Panik führen, was den Drang eines Pferdes zur Flucht auslösen kann.

In vielen Ställen ist es üblich, dass im Stall der Radio läuft. So kann sich das Pferd in gewohnter Umgebung mit dieser Geräuschkulisse auseinandersetzten. Da die Musik meistens eher leise ist, sollte das überhaupt kein Problem sein.

Anders reagieren viele Pferde wenn Musik von einem Moment zum anderen laut gedreht wird. Um das Pferd darauf vorzubereiten ist es sinnvoll das aufgewärmte Pferd an der Hand zu führen. Eine zweite Person bedient die Musikanlage. Es sollte mit eher leiser, ruhiger Musik begonnen werden, welche dann langsam lauter gedreht wird. Wichtig ist zu beobachten wie sich das Pferd verhält um individuell auf es eingehen zu können. Sollte ihr Pferd bei einer Veränderung der Lautstärke ängstlich reagieren, wäre es sinnvoll, behutsamer vorzugehen und sich über einen längeren Zeitraum mit der Geräuschveränderung zu beschäftigen. Besonders wirksam kann eine CD sein, die Sie mit allen Geräuschen bespielen können, die Ihrem Pferd zu diesem Zeitpunkt noch fremd sind. Applaus, Musik, verschiedene Stimmen und Laute wie Hundegebell, Pfiffe, Motorgeräusche usw. Wenn das Pferd gelassen reagiert, kann man das Ganze beim Reiten wiederholen.  Pferdeführer, Reiter und Fahrer haben stets die Aufgabe dem Pferd Sicherheit zu vermitteln.

Bunte Vielfalt an Dekorationen und Werbeplanen
Auf fast allen Turnieren findet man eine Unzahl von Dingen, die einem Pferd Angst machen können. Werbeplanen, die im schlimmsten Fall im Wind wie wild geworden flattern, bunte Hindernisse, wehende Fahnen und vieles mehr. Noch eine Herausforderung, der sich das Pferd stellen muss. Um die benötigte Gelassenheit des Pferdes zu fördern, kann man schon im Vorfeld entgegenwirken.

Am besten eignet sich dafür das sogenannte „Gelassenheitstraining“ . Da es zu diesem Thema in diversen Büchern und im Internet zahlreiche Informationen gibt, hier nur ein paar Anregungen womit und wie ein solches Training gestalten werden kann.

Bevor mit den Übungen begonnen wird sollte man das Pferd zuvor aufwärmen (Z.B Schrittmaschine, lockeres Longieren oder ähnliches). Dies ist wichtig, da sich das Pferd erschrecken und ruckartig zur Seite springen könnte. Unaufgewärmt würde dies die Verletzungsgefahr erhöhen.

Im Grunde können nun unzählige Dinge für das Training verwendet werden, zum Beispiel ein Regenschirm, Planen über die das Pferd drüber gehen sollte, Bälle in allen Größen und Farben, bunte raschelnde Jacken oder Plastiksackerl und Bettlaken, die am Rand des heimatlichen Übungsplatzes aufgehängt werden. Ihrer eigenen Phantasie ist hierbei keine Grenze gesetzt.

An der Hand wird das Pferd langsam und behutsam mit den verschiedenen Utensilien vertraut gemacht. Wieder einmal ist es von großer Bedeutung, dem Pferd Sicherheit zu vermitteln und ihm das Gefühl zu geben, dass es sich auf Sie verlassen kann.

Im Training sollten immer wieder neue Reize geschaffen werden. Wenn ihr Pferd gelassener ist,  hilft Ihnen das nicht nur bei dem ersten Turnier, sondern auch in vielen Alltagsituationen, besonders beim Ausreiten.

Übernachtung des Pferdes bei einem Turnier
Manchen Pferden gefällt es, einmal etwas Neues zu erleben. Viele speziell junge Pferde sind neugierig und lieben ein wenig Abwechslung. Leider aber sind die Turnier-Neustarter bei ihrem ersten Auftritt, nicht zuletzt weil auch der Reiter oder Fahrer meist unter Hochspannung steht, etwas aufgeregt und unkonzentriert. Neue Eindrücke gibt es für das Pferd genug: neue Box, andere Gerüche, Geräusche, neue Umgebung, anderes Futter, andere Boxennachbarn und fremde Pferde und auch ein anderer Zeitablauf als daheim.
Schaffen Sie ein wenig Heimat. Nehmen Sie etwas Futter von zuhause mit. Hängen Sie eine ungewaschene Jacke von sich zum Schnuppern auf. Pferde in fremder Umgebung verweigern manchmal die Aufnahme von Wasser aus den Selbsttränken. In diesem Fall können Sie ihr Pferd mit einem Eimer, den Sie mitgebracht haben noch einmal tränken. Versuchen Sie auch den zeitlichen Ablauf  ähnlich wie daheim zu gestalten, soweit dies möglich ist.

Bei einer Anreise am Vortag des Turniers bietet sich eine ausgezeichnete Möglichkeit das Pferd mit der neuen Umgebung vertraut zu machen. Meist ist es vom Veranstalter erlaubt am Tag vor dem Turnier auch den Austragungsplatz selbst zu benutzen. Dann sollte hoffentlich auch das „ gefährliche Richterhäuschen“  kein Problem mehr darstellen.

Wer es sich finanziell und zeitlich leisten kann, der sollte mit seinem Pferd ein Turnier besuchen, ohne eine Prüfung zu absolvieren. Die Gewöhnung an diese reale Atmosphäre  ist natürlich äußerst wertvoll. Hier kann das junge Pferd auf dem Vorbereitungsplatz mit anderen Pferden bewegt werden und  in jeder Hinsicht echte Turnierluft schnuppern.
Die Methoden, wie Sie junge Pferde auf Turniere vorbereiten, sollten immer individuell angepasst werden. Es  gibt keine Vorschriften, denn Ratschläge, die sich für  das eine Pferd hilfreich erweisen, müssen bei einem anderen Pferd nicht unbedingt zum Erfolg führen.  

Zuletzt wahrscheinlich der wichtigste Punkt zum Thema dieses Artikels und generell in jeglichem Umgang mit einem Pferd:  Vertrauen schaffen!   Wenn Sie dem Pferd Sicherheit geben wollen, setzt dies unbedingt Vertrauen voraus. Wenn das Pferd Ihnen als Reiter oder Fahrer vertrauen und sich auf Sie verlassen kann, wird ihm schon ein großer Teil seiner Nervosität genommen. Durch Vertrauen kann man schwierige Situationen lösen – schwierige Situationen können durch Vertrauen gemeistert werden.

Und Ihr Pferd würde wohl diesem Spruch zustimmen: „Vertrauen findest du nur bei den Menschen, die mit deiner Seele umgehen, als wäre es ihre eigene.“ (Unbekannt)
Barbara Leitner

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