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Die Bedeutung der Beweissicherung bei Streitfällen rund ums Pferd
05.04.2016 / Wissen

Bei jedem Streitfall rund ums Pferd – sei es ein Reitunfall, eine Koppelverletzung, eine beobachtete Misshandlung etc. – kommt der Beweissicherung entscheidende Bedeutung zu.
Bei jedem Streitfall rund ums Pferd – sei es ein Reitunfall, eine Koppelverletzung, eine beobachtete Misshandlung etc. – kommt der Beweissicherung entscheidende Bedeutung zu. / Foto: Archiv

Egal ob Reitunfall, Pferdekauf oder Tierquälerei: Bei jeglichem Streitfall im Zusammenhang mit Pferden ist die Beweissicherung von überragender Bedeutung, um zu einem gerechten Urteil zu gelangen – eine Analyse von Dr. Reinhard Kaun.

 

„Knackpunkt Beweissicherung" – unter diesem Subtitel weist der Rechtsanwalt und Sachverständige Dr. Peter Lechner in seiner Fallbeschreibung zum Thema „Haftung bei Reitunfall“ [Pferd PLUS 5/2013] auf die Bedeutung der Sicherstellung von Beweisen nach Unfällen, besonders für die zur Beweisführung verpflichtete Partei, hin.

Aus sachverständiger Sicht ist dieser Punkt ergänzungswürdig:

Das Gericht hat seine Entscheidung regelmäßig auf Grundlagen (Beweisen) von Ereignissen zu fällen, an denen es persönlich keine Wahrnehmungen gemacht hat und bei denen es häufig auch fachlich der Streitthematik fernsteht – wie dies bei einem Rechtsstreit um ein Pferdethema – fast – die Regel darstellt.

Dem erkennenden Gericht stehen nun als wesentliche Erkenntnisgrundlagen für ein Urteil folgende Beweissäulen zur Verfügung:

– Augenscheinbeweis
– Zeugenbeweis
– Urkundenbeweis
– Parteienvernehmung
– Sachverständigenbeweis.

Fälschlicherweise wird häufig die Ansicht vertreten, der Sachverständige spreche indirekt durch sein Gutachten schon das Urteil – das ist natürlich Unsinn, aber manchmal ist es nun einmal so, dass für das Gericht bei dünner Beweislage aus Augenschein, Urkunden und Zeugen- sowie Parteienvernehmung der Sachverständigenbeweis der schlüssigste und nachvollziehbarste Beweis ist und demgemäß vom Gericht im Sinne einer freien Beweiswürdigung das Gutachten als (Haupt-)Grundlage für die Rechtsprechung verwendet wird.

Der Sachverständige, der dem Gericht sein besonderes Fachwissen, seine besondere Erfahrung und seine Kenntnisse aus der Lebenserfahrung und die daraus in der Streitsache zu ziehenden Schlüsse zur Verfügung stellt, hat in den meisten Fällen die sogenannte „Kausalität“ zu prüfen.

Ist die Kausalkette von Beginn des Ereignisses (Auslöser) bis zum eingetretenen „Erfolg“ (Beschädigungen, Verletzungen, Tod) ohne Unterbrechung geschlossen, so ist -fachlich – das „ Ursachen – Wirkungsprinzip“ erfüllt.

Der Sachverständige kann jedoch sein Gutachten nur mit jener Genauigkeit und Schärfe erstatten, wie die „Befunde“, die zu erheben waren, es gestatten.

Ungenaue Beweissicherung, wenig oder schlechtes Bildmaterial, mangelhafte Unfallprotokolle, schlampige Unfallberichte der Polizei können keine Basis für ein exaktes Gutachten bilden.

In vielen Fällen liegt zwar auf der Hand, dass zwischen einem auslösenden Ereignis und den augenscheinlichen Folgen ein Zusammenhang oder ein Beitrag besteht, dennoch ist die Kausalität häufig nicht bewiesen, womit der beweisführenden Partei der wesentlichste Nachweis misslungen ist und in der Folge z.B. eine Klage abgewiesen oder ein Anspruch verneint wird.

Jeder Pferdesportler (und Bürger) sollte daher das Rechtsmittel der Beweissicherung kennen, das jedem hilfesuchenden Menschen hierzulande offen steht, jedoch viel zu selten benützt wird.
„Besteht die Sorge, dass
– ein Beweismittel später nicht benützt werden könnte,
– seine Benützung erschwert werde,
– die Feststellungen des gegenwärtigen Zustandes einer Sache wegen rascher Veränderung unmöglich wird,
so kann von einer Partei zur Sicherung der Beweisführung in jedem Stadium des Verfahrens und sogar vor Beginn desselben eine Beweissicherung durch Vornahme eines Augenscheins oder die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen beantragt werden.“ [modifiziert aus ZPO §§ 384-389]

Da es bei dieser Form der Beweissicherung i.d.R. um spezielle Sachbeweise geht, können, um diese belastbar sicher zu stellen, mehrere Wege eingeschlagen werden. Sobald die Befürchtung besteht, dass aus einem Vorkommnis (Unfall am Turnier, Verkehrsunfall, Kutschenunfälle mit verletzten Personen, Sodomie, Behandlungsfehler, schwere Verletzungen bei Pferden, Todesfälle bei Pferden usw.) Strafandrohung oder Schadenersatzansprüche erwachsen könnten, kann der später vermutlich Beweispflichtige eine Beweissicherung beantragen:

– durch sofortige Beiziehung eines fachlich geeigneten ständig beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen im eigenen Wirkungsbereich;

– durch Antrag beim Prozessgericht (beim laufenden Verfahren) bzw. beim Bezirksgericht, wenn noch kein Rechtsstreit anhängig ist – es empfiehlt sich, dazu einen Anwalt zu bemühen;

Ist ein Antrag auf Beweissicherung erfolgt, ist natürlich darauf zu achten, dass diesem auch unverzüglich entsprochen wird. Der beauftragte Sachverständige sichert gezielt sämtliche relevanten Beweise mit allen Methoden, die ihm zur Verfügung stehen und tut dies bereits mit der nötigen Fachkenntnis und mit Blick auf die nötige spätere Aussagekraft vor Gericht. Der Ordnung halber sei festgehalten, dass die Kosten für ein Beweissicherungsverfahren – zunächst – vom Antragsteller zu tragen sind.

Diese Vorgangsweise unterscheidet sich somit speziell in der Pferdewelt sehr wesentlich von einer Beweisaufnahme durch die Polizei, der die fachliche Voraussetzung dafür üblicherweise fehlt.

Nach Unfällen mit Pferden ist regelmäßig von Bedeutung: Halfter, Zäumung, Besattelung, Beschirrung, Zustand eines Wagens, Hufbeschlag, Verletzungsmuster, Todesursachenermittlung – Fakten, die im Polizeiprotokoll nie Niederschlag finden.

In allen Fällen, in den Pferde zu Tode gekommen sind (Unfälle, Behandlungen, ungeklärter Tod im Stall oder auf der Weide) sollten zwingend sofort Obduktionen an einem anerkannten Institut mit Nachweis der Todesursache – manchmal ergänzt durch weiterführende Untersuchungen – veranlasst und vorgenommen werden.

In nicht wenigen Fällen ist es naheliegend, dass der Eintritt des Todes bei einem Pferd mit einem bestimmten Ereignis zusammenhängt, wenn jedoch die – nicht exakt abgeklärte – Todesursache auch Spielraum für andere Varianten offenlässt, ist die Kausalität nicht bewiesen und die Klage geht ins Leere.

In der Praxis bewährt es sich, wenn der Pferdehalter oder Pferdesportler eine Liste von Gerichtssachverständigen [www.sdgliste.justiz.gv.at] verfügbar hat, die zu den nötigen Nomenklaturen (Fachgebiete) beeidet sind und notfalls schnell und unkompliziert (zunächst telefonisch) kontaktiert und auch sofort beigezogen werden können. Siehe auch auf dieser Website unter FACHINFORMATIONEN.

Univ.Lektor VR Mag. Dr. Reinhard Kaun ist Fachtierarzt für Pferdeheilkunde, Fachtierarzt für physikalische Therapie & Rehabilitationsmedizin sowie Allgemein beeideter & gerichtlich zertifizierter Sachverständiger (Sachverständigenbüro für klinische und forensische Veterinärmedizin, Tierhaltung & Pferdewissenschaften) Kontakt: 2070 Retz, Herrengasse 7, Web: www.pferd.co.at | www.pferdesicherheit.at

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