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Häcksel – die Renaissance eines Raufutters
13.04.2016 / Wissen

Heutige Häcksel-Produkte bestehen aus verschiedenen Gräsern, um die gewünschten Inhaltsstoffe zu garantieren.
Heutige Häcksel-Produkte bestehen aus verschiedenen Gräsern, um die gewünschten Inhaltsstoffe zu garantieren. / Foto: Martin Haller
Aus Sicht der klassischen Pferdehaltung sind Heu und Stroh leider vielfach von schlechter Qualität und stark verunreinigt – viele Pferdebesitzer suchen deshalb nach geeigneten Alternativen.
Aus Sicht der klassischen Pferdehaltung sind Heu und Stroh leider vielfach von schlechter Qualität und stark verunreinigt – viele Pferdebesitzer suchen deshalb nach geeigneten Alternativen. / Foto: Martin Haller

In früheren Zeiten nahm Häcksel oder Hack (auch G’hack, in England chaff) einen wichtigen Platz unter den Pferdefuttermitteln ein. Es besitzt Vorteile, die es auch heute wieder sehr modern erscheinen lassen...

 

Die traditionelle Pferdefütterung früherer Zeiten kannte nur wenige wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnisse. Dafür gab es eine ganze Reihe von überlieferten Gebräuchen der Futtermeister, die meist auf jahrzehnte- oder gar jahrhundertelanger Erfahrung und Beobachtung beruhten. Einige dieser Regeln sind bis heute gültig: Man sollte wenig und dafür oft füttern; zuerst tränken und erst danach das Futter vorlegen; Heu kommt vor dem Kraftfutter; keine langen Fresspausen, und einiges mehr. Aus diesen Gründen wurde auch die Fütterung von Häcksel als sinnvoll eingeschätzt und empfohlen.

Schnipsel...
... von Heu oder Stroh wurden früher händisch hergestellt, wozu man eine einfache, aber effiziente Maschine verwendete. Der Grundtyp des Häckselschneiders bestand aus einem offenen Holztrog auf einem Tisch, an dessen Ende eine rotierende oder gebogene Klinge angebracht war. Man legte das sortierte Langstroh oder -heu in den Trog und schob es in Richtung der Klinge, mit der man kleine Schnipsel abschnitt. Sie fielen auf ein Tuch oder in einen Korb und wurden darin bis zum Verbrauch aufbewahrt. Diese Arbeit war zeitraubend, anstrengend und dabei simpel, sodass der Strohschneider nicht unbedingt zu den qualifizierten oder hoch bezahlten Berufen zählte – er rangierte in der Hierarchie des Stallpersonals so ziemlich an letzter Stelle.

Das Produkt seiner Arbeit wurde jedoch geschätzt, denn man wusste aus Erfahrung, dass Pferde ihr Kraftfutter langsam fressen und gut kauen sollen. Darum fügte man jeder Getreideration (damals das einzige Kraftfutter) ein paar Handvoll Häcksel bei. Leichtfuttrige Pferde erhielten G’hack/Häcksel/chaff aus Stroh, schwerfuttrige hingegen solches aus bestem Heu, bzw. ein Gemisch. Auf diese Weise verlängerte man die Fresszeit und vermittelte den Pferden ein höheres Sättigungsgefühl, das ja wesentlich von der Anzahl der Kauschläge abhängt. Die Tiere blieben ruhiger, entwickelten weniger Untugenden, zeigten eine bessere Futterverwertung und hatten vermutlich auch weniger Verdauungsstörungen oder Stoffwechselprobleme.

Aus der Mode...
...geriet Häcksel bei uns vor längerer Zeit aufgrund der extremen Verteuerung der menschlichen Arbeitskraft, die keine Alternative in geeigneten Maschinen fand. Heute wird Heu und Stroh in einem Arbeitsgang durch Rundballenpressen verarbeitet. Dabei entsteht durch die meist zu tiefe Einstellung der Maschinen viel Staub und Schmutzeintrag, auch ist das Material noch nicht trocken genug. Aus der Sicht der klassischen Pferdehaltung ist unser Heu und Stroh vielfach von geradezu erschreckender Qualität. Leider ist es trotz der weltweiten Ausweitung der Getreideanbauflächen und der Extensivierung vieler Flächen nicht überall möglich, gutes Heu und Futterstroh zu bekommen. Die Suche nach Alternativen wird daher zukünftig eine immer wichtigere Rolle in der Fütterung spielen.

Jenes Heu und Stroh, das industriell zu Häcksel oder ähnlichen Produkten verarbeitet wird, ist entstaubt und enthält in der Regel weit geringere Verunreinigungen als Langstroh vom Feld. Die Produkte der internationalen Hersteller sind entstaubt, haben die gewünschte Halmlänge von rund 4 – 5 cm und sind oft mit verdünnter Melasse besprüht – das macht sie wohlschmeckend. Viele Produkte bestehen aus verschiedenen Gräsern, um die gewünschten Inhaltsstoffe zu garantieren, z. B. Fruktan-arme Sorten oder der gesunde Grünhafer; andere sind Mischungen aus Heu und Stroh oder Luzerne, um den Proteingehalt zu regulieren. Einige sind mit geringen Anteilen an Getreiden, Kleien, Melasse oder Mineralien vermengt, um ein krippentaugliches Alleinfutter zu erzielen, das neben etwas Heu oder Stroh keine weiteren Ergänzungen braucht.

Die Vorteile
Wrangel schreibt um 1890 im Buch vom Pferde: „Gewöhnlich erhalten die Pferde ihr Stroh zu Häcksel geschnitten, doch kann dasselbe auch mit Nutzen lang vorgelegt werden, z. B. als Nachtfutter während der Winternächte.“ Uppenborn erwähnt es in seinem Dauerbrenner Pferdezucht und Pferdehaltung nur kurz: „Stroh ist voluminös und eiweißarm, aber reich an Natrium (1,5 bis 2 g/kg). Es dient zur Sättigung und Ergänzung eiweißreicher Futtermittel sowie als Häcksel als Anreiz zum besseren Kauen.“

Schon aus den oben angeführten Zitaten Wrangels und Uppenborns wird klar, was man sich von Häcksel in jedweder Form – auch aus Gras- oder Luzerne-Heu – erwartet: langsameres Fressen, geringere Energiedichte des Krippenfutters, mehr Kauschläge und damit erhöhte Speichelproduktion und bessere Einspeichelung der Nahrung.

Durch die erhöhte Speichelabsonderung wird der Nahrungsbrei stärker basisch und damit die Übersäuerung reduziert. Sie wird als eine der Ursachen für die immer häufiger diagnostizierten Läsionen und Geschwüre des Verdauungstraktes bei Pferden angesehen. Neben Leistungsstress und falscher Reitweise kommen zu kurze Fresszeiten, mangelnde Sättigung bzw. Dauerhunger und Übersäuerung/„Kippen“ der Darmflora als Auslöser in Frage. Heu und Stroh hat zudem ein günstiges Kalzium-Phosphor-Verhältnis von rund 3 : 1 und gleicht damit den Kalziummangel typischer Getreiderationen etwas aus. Allerdings sind dazu größere Mengen nötig, als sie durch die Beimischung von Häcksel erreicht werden können, aber immerhin...

Weitere positiven Folgen davon sind: Das gestreckte Kraftfutter kann bei geringerer Energiedichte und niedrigerer Eiweiß- und Stärkekonzentration leichter auf mehrere Mahlzeiten täglich verteilt werden, da die Gesamtmenge erhöht wird. Ideal sind etwa vier Fütterungen in 16 Stunden. Das wäre eine wichtige vorbeugende Maßnahme bei Verdauungsproblemen, vor allem gegen die Übersäuerung des Darminhalts. Ist dies aus arbeitstechnischen Gründen unmöglich, so wird zumindest die Fresszeit pro Kraftfuttermahlzeit etwas angehoben.

Neue Wege
Im deutschen Sprachraum erlebt Häcksel inzwischen so etwas wie eine Renaissance, Importeure und Hersteller bieten immer mehr derartige Produkte an – zu Preisen, die natürlich über den örtlichen Heu- oder Strohpreisen der Landwirtschaft liegen. Es gibt aber auch heimische Hersteller mit ähnlichen Produkten, die allerdings meist auf Heu- oder Luzerneheu-Basis erzeugt werden und daher bei der Berechnung der Futterration berücksichtigt werden müssen; bei Häcksel auf Strohbasis entfällt das Problem aufgrund der geringen Wertigkeit.

Häcksel, Kurzheu, Luzerne-Stängel, Strukturfutter und Heucobs werden als Fertigprodukte überall im Futtermittelhandel angeboten. Durch unterschiedliche Ausgangsmaterialien (Stroh, Heu-Stroh-Mix, Luzerne etc.) und Ergänzung durch Kalk, Melasse oder Vitamine wird individuellen Anforderungen in der Rationsgestaltung Rechnung getragen. Die handlichen Säcke oder Kleinballen sind wegen des geringen Volumengewichts selbst für Frauen leicht zu handhaben. Manche Hersteller bzw. Händler bieten auch Großgebinde an, die als Paletten-Sackware, im Big-Bag oder in der neuartigen Big-Box auftreten und den Preis etwas „milder“ gestalten. Dieser liegt ja deutlich über jenem von Wiesenheu herkömmlicher Form (Kleinballen, Rundballen) oder von Ackerstroh; dafür erhält man gleichbleibende Qualität, ständige Verfügbarkeit und erzielt eine bedeutende Arbeitsersparnis.

Einige Erzeuger stellen sogenanntes Strohgranulat zu Einstreuzwecken her, das entweder als häckselartige, lose Ware oder zu Pellets verpresst im Handel angeboten wird. Sofern diese Produkte nicht vergällt sind, also durch den Zusatz ätherischer Öle unangenehm schmecken, werden sie von (gierigen/hungrigen) Pferden auch gefressen. Bei Langstroh-Einstreu nehmen Pferde in aller Regel rund 2 bis 4 Kilogramm pro 24 Stunden auf, was durchaus dem natürlichen Fressverhalten entspricht; mehr sollte es auch nicht sein. Das Pferd ist in idealer Weise auf die Verdauung von Strukturfutter ausgelegt und benötigt es sogar dringend. Bei Hochleistungspferden will man geradezu panisch den „Heubauch“ verhindern und stellt die Tiere darum meist auf Späne, Spelzen, Torf o. ä. Stroh wird dann meist gar nicht angeboten. Gerade in solchen Fällen wäre die Beimengung von Häcksel zum Kraftfutter für den Verdauungstrakt des Tieres eine Wohltat.

Viele Hersteller bieten Produkte an, die als Beifutter oder sogar als Grundfutter bzw. Alleinfutter bestens geeignet sind. Einige sind quasi kontinentale Varianten der englischen Produkte – und alle sind jedoch geeignet, das Krippenfutter zu strecken oder minderwertiges bzw. knappes Raufutter zu ersetzen. Alle Hersteller führen sie in ihren Katalogen und beschreiben Inhalt, Anwendung und Wirkung genau; man braucht eigentlich nur auf die bewährten alten Methoden zurückzugreifen – die modernen Produkte sind längst wieder vorhanden. Und man muss Gottseidank nicht mehr stundenlang schnippeln…                               Martin Haller

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