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Geheimtipp für Pferdefreunde: Die Camargue-Pferde vom Isonzo-Delta
06.09.2017 / Wissen

Kaum zwei Autostunden von Klagenfurt entfernt liegt das Naturparadies „Reserva Naturale Regionale Foce Dell
Kaum zwei Autostunden von Klagenfurt entfernt liegt das Naturparadies „Reserva Naturale Regionale Foce Dell'Isonzo". / Foto: Martin Haller
Inmitten des Naturschutzgebiets lebt auch eine Herde von Camargue-Pferden, die Touristen sogar für Trekking-Touren durchs Delta zur Verfügung stehen.
Inmitten des Naturschutzgebiets lebt auch eine Herde von Camargue-Pferden, die Touristen sogar für Trekking-Touren durchs Delta zur Verfügung stehen. / Foto: Martin Haller
Die Camargue-Pferde sind ideal an die maritimen Lebensbedingungen im Isonzo-Delta angepasst.
Die Camargue-Pferde sind ideal an die maritimen Lebensbedingungen im Isonzo-Delta angepasst. / Foto: Martin Haller
Die Halbinsel Cona ist ein Herzstück des Naturschutzgebiets, das insgesamt über 300 Vogelarten und zahlreiche andere Wildtiere beherbergt.
Die Halbinsel Cona ist ein Herzstück des Naturschutzgebiets, das insgesamt über 300 Vogelarten und zahlreiche andere Wildtiere beherbergt. / Foto: Martin Haller

Das wunderschöne und wenig bekannte Naturschutzgebiet am Isonzo-Delta – nur zwei Autostunden von Klagenfurt entfernt – ist nicht nur für Wanderer und Vogelkundler, sondern auch für Pferdefreunde ein kleines Paradies.

 

Der Name Isonzo ruft vor allem bei älteren Österreichern – und auch Italienern – keine guten Erinnerungen hervor. Umso schöner, wenn man heute an den Unterlauf dieses Flusses reisen kann und auf ein wunderbares Naturerlebnis stößt, das vor allem Pferdefreunde positiv überrascht. Wanderer, kommst Du nach Grado, mache einen Abstecher von rund 15 Kilometern per Auto oder Rad und tauche ein in die Welt der Sümpfe, Vögel und – Pferde. Der Abstecher von rund fünf Minuten von der Landstraße Grado-Monfalcone lohnt sich unbedingt! Hier kann man wunderschöne Camargue-Pferde sehen, ohne den weiten Weg nach Südfrankreich nehmen zu müssen. Doch damit nicht genug, sie leben auch genauso, wie man das von ihrer Heimat kennt, nur fünf Autostunden südlich von Wien.

Eine kurze Strecke…
… ist es nur von der schnurgeraden Verbindungsroute Grado-Monfalcone, durch endlose, hitzeflirrende Felder und Feuchtwiesen, entlang schattiger Pappelhaine und träger Entwässerungskanäle. Dann endet der Asphalt und geht in eine winzige Schotterpiste über, die zwischen einem Damm und einem Galeriewald scheinbar ins Nirgendwo führt. An ihrem Ende, hinter einer Biegung, steht man plötzlich vor einer malerischen Anlage, deren landwirtschaftliche Vergangenheit unverkennbar ist. Die karge Architektur der italienischen Tiefebene weckt Erinnerungen an die unvergesslichen Don Camillo-Filme, doch statt eines kauzigen Pfarrers trifft man auf Ranger eines regionalen Naturparks, die zwar auch predigen, allerdings die Schöpfung etwas differenzierter interpretieren:

Das Naturschutzgebiet Isonzo-Mündung (Foce dell‘ Isonzo-Isola della Cona) besteht aus mehreren einzigartigen Lebensräumen, deren Vielfalt und Reichhaltigkeit beeindruckt. Gleich werden einem ein paar Zahlen zugeworfen, z. B. sind von rund 500 italienischen Vogelarten hier nicht weniger als 320 heimisch. Darunter solche Prachtstücke wie Goldadler, Reiher, Storch, Pelikan, Kranich, Schwan, Gans und Geier, nicht zu vergessen Flamingo und Geier. An Säugetieren tummeln sich in den Wäldern – nachdem die Jagd verboten wurde – wieder Hirsch, Wildschwein, Reh, Otter, Wildkatze und Marder. Die Rinder und Pferde wurden allerdings vom Menschen hier wieder eingesetzt, um durch Beweidung die Landschaft offen zu halten – sie sind als Wildtiere seit Jahrhunderten hier ausgestorben. So wuselt es auf den rund 2.300 ha des Naturschutzgebietes am nördlichsten Punkt des Mittelmeeres rund um die Uhr und ermöglicht es besonders den Ornithologen, zu ganz besonderen Beobachtungen zu gelangen. Durch Erosion, Ablagerungen, Kanalisierung und Beweidung entstand hier seit 1996 ein marines Ambiente, das Vogelkundler, Schüler, Reiter, Wanderer und Biologen aus aller Welt anzieht und begeistert.

Wie es entstand
Man glaubt es kaum, aber hier war ein Zeitungsbericht auslösender Funke! 1971 erschien ein Aufruf aus der Feder des Lokalpolitikers Franco Musi in einer kleinen Provinzzeitung – der allerdings viel Staub aufwirbelte. In Zeiten des Wirtschaftswunders wollte Musi nicht wahrhaben, dass ein großes Gebiet am Isonzo durch geplante Verbauung und Bejagung verloren gehen sollte. Es folgten hitzige 20 Jahre des politischen Hickhacks – in Italien keine Seltenheit, doch letztlich gelang es, die Idee eines Naturschutzgebietes durchzusetzen. Letztlich fehlte es noch am Geld, doch der Mensch denkt, und Gott lenkt. Hier lenkte er 1993 die Schritte eines neuseeländischen Millionärs nach Italien und just an den Isonzo, wo er von den ehrgeizigen Plänen der Naturschützer hörte und spontan jene Summe lockermachte, welche das Projekt an den Start brachte. Sein Name war – man glaubt es kaum – Norman Marsh. Der freigiebige Mr. Marsh trug also wesentlich Rettung der Marsch am Isonzo bei – ein bemerkenswerter Fall von Nomen est Omen. Nun konnten Gemeinderat und Regionalverwaltung das Projekt auf eine gesetzliche Grundlage stellen und die gesamte Fläche vor Verbauung, touristischer Verunstaltung und Bejagung schützen. Franco Musi als Schöpfer des regionalen Gesetzes und Direktor der regionalen Parks und Forste setzte sich damit ein Denkmal…

Warum Pferde?
Bald war klar, dass man die Renaturierung auf schonende Weise vorantreiben musste. Die alte Farm im Zentrum der Halbinsel Cona, mit ihren quadratischen Feldern und Kanälen, musste einer neu zu schaffenden Sumpflandschaft weichen. Dazu wurden Brunnen angelegt, Dämme durchstochen, Flächen geflutet und die Einrichtungen für Naturbeobachtungen und sanften Tourismus geschaffen. Damals gab es einen Park-Ranger, der in der Camargue gewesen war und sich dort in die Rinder und Pferde verguckt hatte. Auf sein Betreiben wurden die Crin-blancs und schwarzen Rinder angeschafft, die sich bestens bewährten (derzeit hat man keine Rinder im Park; die Weideflächen sind knapp). Sie sind in idealer Weise an maritime Feuchtgebiete angepasst, denn ihre Heimat ähnelt dem Isonzo-Delta aufs Haar. Die Herde der halbwilden Stuten, derzeit rund 10 Tiere, weidet frei in einem großen Gebiet auf der zentralen Insel, während der Deckhengst mit einigen Wallachen weitab auf einer umzäunten Weide auf seinen Einsatz im Frühling wartet. Drei seiner Haremsdamen hat er voriges Jahr schon gedeckt, heuer sollen es wieder mehr sein – der Park braucht Pferde. Die Camargue-Rasse ist bestens angepasst, weiß Lorena die sympathische Pferde-Expertin des Parks: „Diese Rasse hat große, flache Hufe – so sinken die Tiere weniger tief in den Schlick ein. Schimmel werden zudem von Insekten weniger befallen als dunkle Pferde, vor allem wenn sie voll Schlamm sind. Außerdem haben Camargue-Pferde eine unempfindliche Haut und leiden auch im Sumpf weniger unter den Mücken. Sie sind bestens angepasst.“

Auf romantischen Pfaden durchs Delta
Die Camargue-Schimmel sind zudem ideale Trekking-Pferde für Reittouristen, die man auf romantischen Pfaden durch das Delta führt. Hierfür verwendet man ausschließlich die selbst gezüchteten Wallache und gelegentlich Stuten, derzeit rund acht bis zehn Tiere. Kräftig und mittelgroß, dabei ruhig und enorm trittsicher, vermitteln sie selbst unerfahrenen Reitern ein schönes Naturerlebnis. Lorena, , dass man nach einer einstündigen Anleitung im Korral durchaus imstande ist, einen mehrstündigen Schrittausritt zu wagen. Da der Park als Kooperative geführt wird, ist man auf die Einnahmen angewiesen und verrechnet daher 22 € pro Stunde. Für Kinder gibt es kurze, geführte Runden durch den Wald an der Station; Reitanfänger können auf Wunsch auch Kurse in Tierkommunikation und Reiten erhalten. Die Haltung der Pferde, das Sattelzeug und die Unterweisung sind erstklassig – was in Bella Italia nicht immer so sein muss. Lorena hat eine umfassende Ausbildung genossen und liebt ihre Schützlinge von ganzem Herzen – und dank eines Diploms in Tierkommunikation weiß sie auch genau, was die brauchen. Und das ist nicht viel: Heu ad libitum im Hochsommer und im Winter; Schatten unter Bäumen oder im offenen Unterstand; und zwischendurch auch Ruhe von den Touris. Dazu Lorena: „Manchmal spüre ich, dass sie genug haben von den Reitern. Dann wirken sie etwas gestresst und brauchen ihre Ruhe. Darum planen wir erneut eine Aufstockung, damit die einzelnen Pferde weniger arbeiten müssen. Hoffentlich ist der neue Deckhengst trotz seiner 27 Jahre gut fruchtbar, dann kommen noch ein paar Generationen hier zur Welt.“

Es besteht kein Zweifel – die Pferde am Isonzo leben genau das Leben, wofür sie geschaffen wurden. Das wird einem klar, wenn man sie mit wehender Mähne durch die Lagunen galoppieren sieht oder beim Dösen in einem schattigen Wäldchen beobachtet. Hier ist gut Pferd sein!

Martin Haller

Infos und Kontakt:
Riserva Naturale Foce Dell'Isonzo
Email: inforogos@gmail.com
Website: www.riservafoceisonzo.it
Tel.: *39-3334056800

Offen März bis Oktober von 9.00 Uhr bis Sonnenuntergang; DO geschlossen.
Schöne Ausflugsziele in der Umgebung: Aquileia mit bedeutenden römischen Ausgrabungen und frühchristlicher Basilika mit wunderschönen Mosaiken. Grado mit bezaubernder Altstadt, tollen Stränden und netter Promenade; Ausflüge per Boot durch die Lagune und zur Insel Barbana mit alter Kirche. Die „ideale Stadt“ Palmanova mit sternförmigem Grundriss aus der Renaissance und historischen Festspielen vor dem Dom. Die Städte Görz, Triest, Venedig und das Gestüt Lipica im Karst (SLO) sind mit dem Auto in jeweils einer Stunde erreichbar. Anfahrt von Klagenfurt ca. zwei Stunden, von Graz ca. drei und von Wien ca. fünf Stunden. Angenehm: April, Mai und September.

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