Magazin 

Rubrik
Zur Übersichtzurück weiter

Platznot macht Pferde aggressiv
16.04.2015 / Wissen

Genügend Platz ist ein wichtiger Faktor, um die Harmonie in der Gruppe zu bewahren und Aggressionen vorzubeugen.
Genügend Platz ist ein wichtiger Faktor, um die Harmonie in der Gruppe zu bewahren und Aggressionen vorzubeugen. / Archivfoto: Irene Gams

Eine Studie über den Zusammenhang von Aggressionspotential und Platzangebot bei Pferden in Gruppenhaltung zeigte deutlich: Je mehr Platz zur Verfügung steht, desto weniger aggressives Verhalten ist zu beobachten.

 

Mit dem Wissen um den hohen Bewegungsbedarf von Pferden und um deren ausgeprägtes Bedürfnis nach Sozialkontakten haben sich in den letzten Jahren immer mehr Pferdebesitzer für eine Unterbringung ihrer Vierbeiner in einem Bewegungsstall entschieden. Doch obwohl die Haltung in einem Lauf- oder Offenstall vermehrt auf Akzeptanz trifft und auch zahlreiche Tierschutzorganisationen die Gruppenhaltung für Pferde empfehlen, sind es vor allem die Angst vor aggressiven Interaktionen und die damit verbundenen, möglichen Verletzungsgefahren, die nur eine verzögerte Änderung der Haltungssituation in den Pferdebetrieben bewirken. Darüber hinaus wird nicht selten die von den Tieren eingeforderte Individualdistanz bei der Auslauf- und Gruppenhaltung unterschätzt und führt in der Folge zu einem mehr oder minder hohen Aggressionsniveau innerhalb der Herde. Denn unter dem Einfluss des Menschen besteht für die Pferde keine Möglichkeit, Gruppengrösse und –zusammensetzung frei zu wählen.

Studien-Anordnung
Im Rahmen einer aktuellen Studie erforschten die Wissenschaftlerinnen Professor Dr. Konstanze Krüger von der Universität Nürtingen und Dr. Birgit Flauger von der Universität Hohenheim, beide ehem. Universität Regensburg, das Verhalten der Vierbeiner unter dem Aspekt des vorhandenen Platzangebotes. Dabei war vor allem das Aggressionsverhalten der Tiere Gegenstand der Untersuchung, sowohl im Rahmen des alltäglichen Soziallebens, als auch in den Phasen der Eingliederung neuer Gruppenmitglieder.
In der Zeit von Juli 2006 bis April 2009 erfolgte in Kooperation mit unterschiedlichen Pferdehaltungsbetrieben im Raum Regensburg die Beobachtung von elf Gruppen domestizierter Pferde verschiedener Größe und Zusammensetzung, die in Paddocks und auch auf der Weide gehalten wurden.

Als Mindestvoraussetzung galt ein frei zugänglicher Auslauf in der Gruppe. Dieser musste mindestens für den Tag gegeben sein, in der Nacht konnten die Pferde – mussten aber nicht – in Boxen untergebracht sein. Der Weidezugang war wetterabhängig.
Die Gruppengrösse variierte dabei zwischen drei und 20 Tieren. Das jüngste Pferd war ein Jahr, der älteste Vierbeiner 30 Jahre alt. Warmblüter, Quarter Horses, Traber, Haflinger oder Ponies – eine Differenzierung nach Rasse oder Geschlecht wurde nicht vorgenommen. Neben reinen Wallach- und Stutengruppen waren auch gemischtgeschlechtliche Bestände Gegenstand der Untersuchung. „Wir wollten uns mit dieser Studie an den Gegebenheiten in der täglichen Praxis von Pferdepensionsbetrieben orientieren“, erklärte Dr. Birgit Flauger, inzwischen wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Tierhaltung und Tierzüchtung an der Universität Hohenheim. „Dort werden die Gruppen in den seltensten Fällen nach Rasse, Alter oder Geschlecht getrennt.“

Mehr Platz – weniger Aggressionen
Nach Erkenntnissen des Forscherduos hatte das den Pferden zur Verfügung stehende Platzangebot den größten Einfluss auf die Verhaltensweisen. Der Faktor Gruppe und die Haltung auf der Weide (Gras) bzw. im Paddock (kein Gras) liessen keine Wirkung auf das Verhalten im alltäglichen Sozialleben der Tiere erkennen. Allerdings stellte sich heraus, dass eine Fläche von weniger als 10.000 qm einen signifikanten Einfluss auf die submissiven (unterwürfigen) und einen nicht signifikanten Einfluss auf die aggressiven Verhaltensweisen hatte. Mit steigendem Platzangebot bis zu 10.000 qm verringerte sich sowohl aggressives als auch submissives Verhalten deutlich.
Vor allem während der Eingliederung hatte das Platzangebot einen starken Einfluss auf das Aggressionsniveau der Tiere untereinander: Je grosszügiger das zur Verfügung stehende Areal, desto weniger aggressiv zeigten sich die Pferde. Die enge Korrelation zwischen Aggressionsniveau und Platzangebot wurde besonders offenkundig, wenn die Beobachtungen mit einer Fläche von über 10.000 qm in der Gesamtstatistik nicht berücksichtigt wurden.

In dieser Studie konnte zum ersten Mal ein eindeutiger Zusammenhang dargestellt werden, der durch eine Formel beschrieben werden kann, die die Beziehung zwischen der Anzahl der erwarteten aggressiven Verhaltensweisen und dem Platzangebot pro Pferd darstellt. Das Ergebnis dieser Berechnung bestätigt daher die Vermutung, dass ein grosses Flächenangebot zu einem ruhigen Gruppenklima innerhalb der Herde führt: Bei einem Platzangebot von mehr als 331 qm pro Pferd näherte sich das Aggressionslevel während des alltäglichen Soziallebens der Nulllinie an.

Die Wissenschaftlerinnen betonen, dass die Aggressivität unter Pferden ein komplexes Thema ist und viele weitere Faktoren wie beispielsweise die Gruppengröße, die Struktur und damit die Gestaltung der Auslauffläche nach Funktionsbereichen, Futterplätzen, Ruhezonen oder Wasserstellen und auch die jeweilige Futtersituation (Heu, Kraftfutter, etc.) einen Einfluss haben können. Gleiches gilt für die Vorgehensweise bei der Eingliederung von Neuzugängen in die Gruppe. Obwohl die genannten Faktoren in den Pferdegruppen sehr divers waren, war das Platzangebot pro Pferd der signifikante Haupteinflussfaktor auf das Aggressionsniveau in der Gruppe.                   Anke Klabunde


Wieviel Platz verlangt das Gesetz?
Deutschland
Das in Deutschland zuständige Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz fordert in seinen „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“ für bis zu zwei Pferde mindestens 150 qm und für jedes weitere Pferd 40 qm Auslauffläche. In Schweden werden 300 qm, in Dänemark sogar 800 qm pro Pferd empfohlen (Stand 2007).

Österreich
In Österreich verlangt das zuständige Bundesministerium für Gesundheit in seinem „Handbuch für Pferde und andere Equiden – Selbstevaluierung Tierschutz“ bei Gruppenhaltung eine erforderliche Mindestfläche pro Pferd zwischen 6 und 14 qm – differenziert nach dem Stockmass der Tiere, und für jedes weitere Pferd zwischen 4 und 9 qm. (Bei unterschiedlich großen Tieren ist das durchschnittliche Stockmaß zu wählen.) Bei freiem Auslauf muss das Zweifache der erforderlichen Mindestfläche von Einzelboxen zur Verfügung stehen.

 

Kommentare

Bevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...
Zur Übersichtzurück weiter

 
ProPferd.at - Österreichs unabhängiges Pferde-Portal − Privatsphäre-Einstellungen