Magazin 

Rubrik
Zur Übersichtzurück weiter

Leitfaden: So erkennen Sie Qualität in der Reittherapie
27.11.2017 / Wissen

Das „Erlebnis Pferd" hat viele positive Aspekte zu bieten, die besonders für Kinder mit Förderbedarf von unbezahlbarem Wert sind.
Das „Erlebnis Pferd" hat viele positive Aspekte zu bieten, die besonders für Kinder mit Förderbedarf von unbezahlbarem Wert sind. / Foto: Nicole Steiner
Pferde sind Herdentiere und können ihre Sozialkompetenz auch im Umgang mit Menschen nutzen – vorausgesetzt, sie haben die Möglichkeit, diese Kompetenz durch artgerechte Haltung auch ihrer Natur entsprechend zu entwickeln.
Pferde sind Herdentiere und können ihre Sozialkompetenz auch im Umgang mit Menschen nutzen – vorausgesetzt, sie haben die Möglichkeit, diese Kompetenz durch artgerechte Haltung auch ihrer Natur entsprechend zu entwickeln. / Foto: Nicole Steiner
Die Ausbildungsnachweise der im Betrieb tätigen Therapeuten sollten gut sichtbar angebracht sein.
Die Ausbildungsnachweise der im Betrieb tätigen Therapeuten sollten gut sichtbar angebracht sein. / Foto: Nicole Steiner
Auch das Gewöhnen an besondere Materialien und nicht alltägliche Situationen gehört zur Therapiepferdeausbildung.
Auch das Gewöhnen an besondere Materialien und nicht alltägliche Situationen gehört zur Therapiepferdeausbildung. / Foto: Nicole Steiner
Westernreiten, Springen oder eine andere Disziplin – das Therapiepferd sollte auch in seiner ,Freizeit
Westernreiten, Springen oder eine andere Disziplin – das Therapiepferd sollte auch in seiner ,Freizeit' gefordert und sinnvoll beschäftigt werden. / Foto: Andi Filzwieser

Reittherapeutische Angebote nehmen immer mehr zu – doch nicht überall wird auf ein hohes Maß an Qualität und Sicherheit geachtet. Hier ein Leitfaden, woran man qualifizierte Betriebe und fachlich geeignete Therapeuten erkennt.

 

Therapie mit Hilfe von Pferden ist gerade für Kinder mit Förderbedarf eine ganz tolle Sache – und steht glücklicherweise immer mehr Menschen zur Verfügung. Die Therapie mit dem Pferd ist aber nur dann sinnvoll und ausreichend sicher, wenn sowohl das Pferd als auch der Therapeut die richtigen Voraussetzungen erfüllen – ansonsten kann es für das Kind sogar gefährlich werden.

In den letzten Jahren hat die Zahl der reittherapeutischen Angebote stark zugenommen – was grundsätzlich zu begrüßen ist, da so mehr Kinder Zugang zu dieser speziellen Form der Förderung haben. Leider tauchen aber immer wieder auch unqualifizierte Angebote auf, weshalb viele Eltern vor der Frage stehen, woran man denn einen qualifizierten Betrieb und ein qualitätvolles therapeutisches Angebot erkennen kann. Im Folgenden gibt’s daher einige Tipps, worauf man bei der Auswahl des richtigen Therapiebetriebes achten und welche Fragen man den dort tätigen Personen stellen sollte.

Artgerechte Pferdehaltung
Die erste Frage sollte die Pferdehaltung betreffen. Leben die Therapiepferde im Herdenverband. mit möglichst ganztägigem Auslauf, und können so ihre sozialen Kompetenzen entwickeln und ihr Bewegungsbedürfnis abdecken? Nur Pferde, die ausgeglichen und zufrieden sind, können auf Kinder eingehen und konzentriert mit ihnen arbeiten! Zu einer guten Haltung gehört auch die sinnvolle Beschäftigung der Pferde – neben der Arbeit als Therapiepferd sollte unbedingt Ausgleichsbeschäftigung geboten werden. Geländeritte, Dressur, Western oder Natural Horsemanship – ganz egal, Hauptsache das Pferd ist ausgelastet, gefordert und zufrieden.

Ausbildung Pferd
Weiters sollte man sich nach der Ausbildung der Pferde erkundigen. Wurden die Pferde speziell für die Arbeit mit Kindern ausgebildet? Kinder mit Förderbedarf können manchmal ihre Bewegungen nicht so gut kontrollieren, machen auch mal hektische Bewegungen, kreischen oder tun sonst etwas, das ein normales Pferd erschrecken könnte. In der therapeutischen Arbeit kommen verschiedenste Materialien zum Einsatz, an die das Pferd ebenfalls gewöhnt sein muss. Ein Therapiepferd muss deshalb nicht nur eine ausgezeichnete Grundausbildung haben, sondern auch auf alle denkbaren Ausnahmesituationen vorbereitet sein.

Ausbildung TherapeutIn
Als nächstes ist die Ausbildung des Therapeuten wichtig. Hier sollte man genau nachfragen, denn leider nennen sich viele Therapeuten, die es gar nicht sind. Welche pädagogische oder therapeutische Basisausbildung hat der Therapeut? Ist er oder sie Physiotherapeut, Sozialpädagoge, Heil- und Sonderpädagoge, Psychologe, Psychotherapeut oder ähnliches? Das allein reicht aber noch nicht aus, um qualifiziert mit Kind UND Pferd arbeiten zu können. Auch eine pferdebezogene Grundausbildung ist wichtig – und die sollte über den Reiterpass weit hinausgehen.

Voltigierübungsleiter oder -wart, Übungsleiter Reiten oder eine andere Trainerausbildung gewährleistet, dass der Therapeut speziell für den Umgang mit Mensch und Pferd ausgebildet wurde. Die entsprechenden Prüfungen werden vom Österreichischen Pferdesportverband abgenommen. Darüber hinaus sollte der Therapeut natürlich über jahrelange Erfahrung im Umgang mit Pferden verfügen.

Als dritten offiziellen Baustein muss der Therapeut noch eine Ausbildung für pferdegestützte Therapie vorweisen können. Das österreichische Kuratorium für Therapeutisches Reiten listet inzwischen bereits vier verschiedene therapeutische Ausbildungsbereiche, in denen erfolgreich mit Pferden gearbeitet wird. Am bekanntesten ist wohl die Hippotherapie, eine physiotherapeutische Maßnahme mit Unterstützung des Pferdes. Ganzheitlich auf Körper und Seele wirken Fördermaßnahmen wie die Heilpädagogische und Therapeutische Förderung mit dem Pferd oder die Ergotherapie mit dem Pferd. Hier steht eine positive Beeinflussung des Befindens, Sozialverhaltens und der Persönlichkeitsentwicklung im Vordergrund, ebenso wie die Förderung von Koordination, Konzentration und Motorik. Der vierte Bereich, Integratives Reiten, widmet sich dem sportlichen Aspekt der Beschäftigung mit dem Pferd. Diese Sparte ermöglicht Menschen mit Handicap eine wertvolle Freizeitgestaltung bis hin zur erfolgreichen Turnierteilnahme.

Wenn der Therapeut durch das österreichische (oder equivalent auch das deutsche) Kuratorium für therapeutisches Reiten anerkannt ist, kann man davon ausgehen, dass er oder sie alle Voraussetzungen erfüllt. Gut ersichtlich am Hof angebracht, sollte man den Ausbildungstafeln vom Österreichischen Pferdesportverband und Kuratorium für Therapeutisches Reiten die wichtigsten Qualifikationen entnehmen können.

Versicherung
Auch wenn Pferd und Therapeut noch so gut ausgebildet sind und das Umfeld nach allen Sicherheitsaspekten gestaltet ist, ein Restrisiko bleibt bei der Arbeit mit dem Fluchttier Pferd immer bestehen. Deshalb müssen der Therapeut, das Therapiepferd und auch die Anlage auf der die Fördermaßnahme durchgeführt wird, unbedingt eine entsprechende Haftpflichtversicherung vorweisen können. Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass sich ein Kind während der therapeutischen Arbeit verletzt, wird die medizinische Versorgung durch die Versicherung gedeckt. Jeder Therapeut sollte auf die Frage nach seiner Versicherung bereitwillig Auskunft geben und auf Wunsch auch eine Versicherungsbestätigung vorweisen können.

Persönlicher Eindruck
Die weiteren Fragen lassen sich leider meist nicht in einem Vorgespräch klären, sondern erst durch den persönlichen Eindruck beantworten. Deshalb ist es sinnvoll, einen Probetermin zu vereinbaren, bevor man sein Kind für einen langfristigen Therapieplatz anmeldet. Ob die Pferde gesund und zufrieden wirken, lässt sich erst vor Ort überprüfen, ebenso wie der tadellose Zustand der Ausrüstung. Auch ob der Therapeut einen freundlichen und konsequenten Umgang mit Kindern hat, kann man erst direkt vor Ort einschätzen.

Von all diesen Faktoren hängt es ab, ob eine Therapie mit Pferd für Kinder so sinnvoll und hilfreich ist, wie sie sein sollte. Wir raten jedem, Finger weg von billigen Angeboten durch unqualifiziertes Personal und schlecht ausgebildete oder schlecht gehaltene Pferde. Traut euch nachzufragen und genau hinzusehen bei der Auswahl eines Therapiebetriebes!
Nicole Steiner

Kommentare

Bevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...
Zur Übersichtzurück weiter

 
ProPferd.at - Österreichs unabhängiges Pferde-Portal − Privatsphäre-Einstellungen