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Mohrenköpfe – spanisch-italienische Noriker mit Seltenheitswert
15.01.2018 / Wissen

Die seltenen Mohrenköpfe werden heute von einer Handvoll Enthusiasten gezüchtet – und sind unter Pferdefreunden sehr beliebt.
Die seltenen Mohrenköpfe werden heute von einer Handvoll Enthusiasten gezüchtet – und sind unter Pferdefreunden sehr beliebt. / Foto: Martin Haller
Die kräftigen, gutmütigen Noriker werden vor allem als vielseitige Freizeitpferde geschätzt.
Die kräftigen, gutmütigen Noriker werden vor allem als vielseitige Freizeitpferde geschätzt. / Foto: Martin Haller
Hier der Murgesen-Hengst Giotto von Züchter Christoph Klary.
Hier der Murgesen-Hengst Giotto von Züchter Christoph Klary. / Foto: Archiv Klary

Der Noriker ist eine typisch österreichische, bodenständige Pferderasse, die sich großer Beliebtheit erfreut. Die kräftigen Arbeitspferde, die heute weit mehr Touristen durch die Lande schleppen als Baumstämme oder Pflüge, haben eine faszinierende Geschichte und adelige Vorfahren aus Italien und Spanien …


Die Norische oder Pinzgauer Rasse erhielt ihren Namen von der alten römischen Provinz Noricum, die einen Teil der österreichischen Alpenländer umfasste. In den Bergregionen mag ein schwerer Typ des römischen Trag- und Zugpferdes gezüchtet worden sein, der unter günstigen Bedingungen schon im zweiten Jahrhundert n. Chr. zu beachtlichem Kaliber gefunden hatte. Zu Zeiten Karls des Großen (747 - 814 n. Chr.) war seine Existenz bereits eine historisch belegte Tatsache. Während des Mittelalters wurde der Typ des kräftigen, mittelgroßen Arbeitspferdes besonders im Salzburger Land bewahrt und ausgeformt, wobei die Erzbischöfe von Salzburg eine große Rolle spielten, indem sie sich mit einer geradezu weltlichen Begeisterung der Pferdezucht widmeten. Gassebner berichtet in seinem leider völlig vergriffenen Werk: „Salzburg gehörte ursprünglich nicht zu jenen Ländern, in welchen Ackerbau und Viehzucht besondere Pflege fanden; der Haupterwerbszweig der Bewohner lag bereits während der Epoche der römischen Herrschaft in der reichen Ausbeute an Gold, Silber und Salz, so dass noch im 15. und 16. Jahrhundert im Gasteiner Tale etwa 30 Bergwerke in Betrieb standen. Erst als deren Ergebnisse immer geringer wurden, die Edelmetalle ganz verschwanden und nur die Gewinnung von Salz übrig blieb, suchte man auf den zu Zwecken des Bergbaues devastierten großen Waldflächen Acker- und Wiesengründe zu gewinnen und verlegte den Schwerpunkt der Rohproduktion vom Bergbau auf die Landwirtschaft und Viehzucht. Das ehedem vorhandene, einheimische norische Pferd war ohne Zweifel groß und stark, massig in seinen Formen; aber die ihm allmählich zugewendete bessere Pflege, welche durch die erhöhte Kultur der Wiesen und Weiden ermöglicht wurde, und insbesondere die kräftige und gesunde Alpenweide trug wesentlich dazu bei, diese massige Entwicklung zu fördern. Von anerkannten Fachmännern wird dasselbe nicht als vom friesischen Pferde abstammend bezeichnet….“

Neuer Schwung unter fürstlicher Patronanz
Besonders Erzbischof Johann Jakob von Kuen dürfte mit der Gründung der Gestüte von Rief, Nonnthal und Wörth um das Jahr 1575 einen deutlichen Akzent gesetzt haben, denn bis dahin war die Zucht in Händen der Bergbauern gewesen. Nun aber, unter fürstlicher Patronanz, erhielt sie neuen Schwung. Dieser kam erst unter den Erzbischöfen Paris Graf Lodron (1612 - 1653) und Guidobald Graf Thun (1654 - 1668) zu vollster Entfaltung, denn diese entsandten Hengste mitsamt geschulten Pflegern ins Land und stellten somit die verbesserte Zucht auf eine breite Basis. Der in Salzburg residierende Erzbischof besaß in der Residenz einen Marstall und in Riff bei Hallein, wo im Jahre 1575 ein Schloss erbaut worden war, ein Gestüt der Polesiner Rasse. Vermutlich waren die meisten Hengste spanisch-neapolitanischer Herkunft und brachten neben Größe und Eleganz auch attraktive Farben in die Landespferdezucht ein. Die Tiger und die seltenen Mohrenköpfe in der Norischen Rasse gehen wohl darauf zurück…

Die erste Körverordnung der Welt
Erzbischof Johann Ernst Graf Thun (1687 - 1709) bestimmte 1688, dass nur mehr Hengste der veredelten Norischen Rasse in der Landeszucht eingesetzt werden sollten, und keine Spanier mehr. Thun war einer der ersten Vorkämpfer einer Rassenverbesserung aus sich heraus und ein Visionär in züchterischen Belangen. Er bestimmte, dass „…alle Unterthanen, welche mit Beschellern in dem Erzstifte herumreiten oder zuhause Bescheller halten, verbunden sind, sich ehevor bey der hochfürstlichen Gstütterei in Salzburg anzumelden, daselbst ihr Pferd besichtigen zu lassen und sodann von selber einen Verwilligungsschein zu erbitten.“ Dies stellt die wohl erste Körverordnung der Welt dar.

Noch einmal Gassebner: „Gelegentlich der ersten Inkorporation Salzburgs (1805) wurde jener Teil des erzbischöflichen Hofgestütes Riff, auch Salzburger Gestüt genannt, welcher nachweislich von Polesiner Abkunft war, in die beiden kaiserlichen Hofgestüte Koptschan und Kladrub eingeteilt, in ersteres kamen die Schimmel, in letzteres die Rappen. Das Gestüt zu Riff erfreute sich im 16. und 17. Jahrhundert der eifrigsten Pflege der Salzburger Erzbischöfe; so verwendeten besonders die Erzbischöfe aus dem Hause Colloredo bedeutende Summen auf die Verbesserung des Gestütsmaterials, welches ursprünglich nur die Polesiner Rasse (Italien), später auch die Pinzgauer Zucht umfasste. Die prächtigen, mit Marmorkrippen versehenen Hofstallungen, die in Felsen gehauene Sommer-Reitschule, sowie die in unmittelbarer Nähe derselben erbaute Winter-Reitschule in Salzburg geben noch heute beredtes Zeugnis von der Sorgfalt und den enormen Kosten, welche seitens der erzbischöflichen Regierung aufgewendet wurden.“

Unter Erzbischof Hieronymus Colloredo-Wallsee (1772-1803) wurde verfügt, dass keine Hofbeschäler mehr auf Deckstation gehen sollten, man wollte sich nur auf die Verbesserung der Hofgestüte konzentrieren. Dazu kamen erneut Importhengste aus der Polesina und Neapel, sowie ausgesuchte Spitzenhengste aus dem Pinzgau.

Die Noriker Farbschläge
Immer wieder wird in der älteren Literatur darauf hingewiesen, dass es „Pinzgauer neapolitanischer Abkunft“ gegeben habe (SUCHANA u. a.). Dr. Thomas Druml erwähnt die leichteren, reittypierten Noriker, welche er als Karossiers oder Alt-Kladruber bezeichnet, und die tatsächlich Ähnlichkeit mit dem kräftigen Schlag des barocken Paradepferdes aufweisen, den Dr. Norbert Zalis, ehemals Direktor des Gestüts Kladrub a. d. Elbe, als „Caballo iberico del tipo germanico“ bezeichnet. Eins muss immer klar sein, nämlich die enge Beziehung einerseits zwischen Spanien und Süditalien; und andererseits zwischen diesen beiden Ländern und der Donaumonarchie. Dynastisch waren sie über einige Jahrhunderte eng verbunden und genossen einen intensiven kulturellen Austausch. Die klassische Reitkunst des Barock blühte in Andalusien und Portugal ebenso wie in Neapel oder Mantua. Beide Länder, Spanien und Italien, können als frühe Zentren der schulmäßigen Reitkunst und Pferdezucht gelten und strahlten an sämtliche europäischen Fürstenhöfe aus, auch nach Salzburg und Wien.

Stammväter aus Neapel
Es ist kurios, dass ich erst vor ca. 20 Jahren bei einem Besuch der Pferdemesse „Fieracavalli Verona“ auf die Rasse Murgese aufmerksam wurde und diese als letzten Rest des berühmten Neapolitano-Pferdes erkannte. Der zufällige Kauf eines fast unbekannten italienischen Büchleins über die Rasse und dessen Übersetzung ließen erkennen, dass hier sowohl die italienischen Hengststämme der Lipizzaner Rasse (Gründung von Lipica 1580) als auch jene der Kladruber Rasse (Gründung von Kladrub 1579) und der Noriker Farbschläge (Gründung von Rief 1575) wurzeln. Diese drei Rassen sind über ihre Stammväter aus Neapel, der Polesina, Mantua und Spanien verwandt und wurden auch untereinander fallweise verkreuzt oder züchterisch verwendet. Die bekannten und berühmten Hengste waren Sacramoso, Conversano, Neapolitano oder – weniger bekannt – Mantuardo, Imperiale, Bellatesta oder Toscanello. Salzburg war in der Renaissance und im Barock ein Zentrum italienischer Kultur, da es sich als Erzbistum mit Rom (und Italien generell) in engem Austausch befand; was lag näher, als sich der besten spanisch-italienischen Pferdezuchten zu bedienen? Salzburg erblühte also auch im hippologischen Bereich schon früher als viele andere Regionen und war zweifellos seinem habsburgischen Nachbarn mindestens ebenbürtig – und oft voraus.

Züchterisches Experiment
Dass im Murgese-Pferd Apuliens ein direkter Nachfahre des historischen Neapolitano-Pferdes bis heute existiert, ist eine hippologische Sensation, die allerdings bisher fast unbemerkt blieb. Lediglich einige italienische Züchter um die Stadt Martina Franca bewahren hartnäckig die beinahe ausgestorbene Rasse, die nur aus Rappen und Mohrenköpfen besteht. Letztere sind denn auch der „gemeinsame Nenner“ der oben erwähnten Verwandtschaft Noriker und Neapolitano, der sich in einer oft frappanten Ähnlichkeit manifestiert. Zumindest ein österreichischer Norikerzüchter, Christoph Klary aus Tweng, hat das Experiment gewagt und kürzlich den gekörten Murgese-Hengst Giotto (ein Testa di moro; Mohrenkopf) versuchsweise eingestellt. Man darf auf die Ergebnisse dieses Zuchtversuchs gespannt sein… die Produkte sollen Härte, Gang und Rittigkeit des Vaters mitbekommen. Leider bleibt die offizielle Anerkennung diesem interessanten Rückkreuzungs-Experiment versagt; man kann sich seitens der Zuchtverbände vom Prinzip der Reinzucht nur schwer gedanklich lösen.

Mohrenkopf & Co – die Sonderfarben
Einige Noriker-Hengstlinien waren und sind mit dem Vorkommen der Farbschläge verbunden. Die Sonderfarben Mohrenkopf (gesticheltes Grau mit dunklem Kopf und Beinen), Tiger (getupft) und Kuhscheck (große Plattenscheckung) treten zwar relativ selten, doch immer wieder auf. Die so genannten „Kuhschecken“ (ein eigenartiges Wort für Plattenschecke oder Tobiano, das in der Norikerzucht üblich geworden ist) sind nie sehr häufig gewesen; ihre Herkunft ist laut GURKER (in DRUML, Das Noriker Pferd) auf eine gescheckte Tragtierstute aus Armeebestand zurückzuführen. Die beiden anderen Farbschläge sind züchterisch breiter verankert. Sie gehen auf die Einkreuzungen von barocken Hengsten zurück, in deren Ahnenhintergrund das sog. Villano-Pferd Spaniens vorkommt, das ebenfalls oft stark gezeichnet oder bunt war. Interessant ist, dass die Noriker in Sonderlackierung oft einen besonders leichten Körperbau und elegante Bewegungen zeigen – möglicherweise das Erbe ihrer iberischen Vorfahren. Sie eignen sich daher besonders als Freizeitpferde und werden von einigen wenigen Züchtern speziell vermehrt, die Schecken auch am Versuchsgut der Wiener Universität für Veterinärmedizin. Die wichtigsten Hengste der jüngeren Mohrenkopf-Zucht sind: 287 Gothe Vulkan, geb. 1912 mit 36 Nachkommen und einem Genanteil von rund 10 %; Mosser Diamant, geb. 1974 mit 39 Nachkommen und einem Genanteil von rund 10 %; Schrempf Vulkan, geb. 1933 mit 46 Nachkommen und einem Genanteil von rund 7 %; Krass Diamant XIII, geb. 1986 mit 18 Nachkommen und einem Genanteil von rund 6,5 %.

Eine Handvoll Zucht-Enthusiasten
Nur rund ein geschätztes halbes Dutzend Züchter befasst sich in Österreich mit diesem Schlag, der besonders hart und leistungsbereit ist, wie zum Beispiel der Familienbetrieb Kaswurm in Salzburg. Die Leidenschaft für die Norikerzucht ist der Familie seit Generationen in die Wiege gelegt. Bereits der Großvater, Besitzer eines Fuhrbetriebes mit mehr als 20 Pferden, war begeisterter Norikerzüchter. 1982 übernahm Ernst Kaswurm den Betrieb vom Vater – mit dem Ziel, sportliche, leistungsbereite Pferde zu züchten und diese artgerecht aufzuziehen. Susanne und Ernst Kaswurm befassten sich zunächst mit der Tigerzucht. Mit dem Kauf des ersten Mohrenkopf-Fohlens im Jahr 1997 verlagerte die Familie ihren Schwerpunkt auf die Zucht von Mohrenköpfen. Die Stuten werden neben der Zucht vor allem im Winter zum Pferdeschlittenfahren eingesetzt. Den Sommer verbringen sämtliche Stuten und Fohlen auf der Alm.

In Bad Ischl betreibt Johann Lindenthaler seit über 40 Jahren eine kleine, feine Zucht, während seine Tochter Caroline Kienberger mit den Mohrenköpfen einen Fuhrwerksbetrieb unterhält. Hochzeiten, Firmungen und Filmaufnahmen gehören für die charmante Pferdefreundin zum Alltag. Züchterisch gesundheitsbedingt derzeit inaktiv, war Herr Lindenthaler noch im Jahr 2009 immerhin „Erfolgszüchter des Jahres“. Sein Zuchtstamm geht auf die höchst erfolgreiche Stute Mona zurück, die neun hochdekorierte Töchter und Söhne (u. a. den Deckhengst Merlin) als Nachkommen hat.

Die Noriker Zucht die große Passion der Familie Klary in Tweng, die seit über 17 Jahren mit dem Schwerpunkt Mohrenkopf züchtet. Der Denkhengst Merlin Nero-XV stammt aus der Zucht des Johann Lindenthaler; ein breites Angebot an Sport- und Freizeitpferden, Pferdekutschen- und Schlittenfahrten sowie eine Vorstellung des Familienbetriebes  „Landhotels Postgut“ findet man auf der Homepage; ebenso Infos zum oben erwähnten Murgese-Hengst Giotto.

Martin Haller (auszugsweise aus diversen Büchern des Autors und aus Hermann Gassebners Werk „Die Pferdezucht in den … Ländern der österreichisch-ungarischen Monarchie")


Mohrenkopf – zur Herkunft eines Begriffs
Die Bezeichnung „Mohrenkopf“ – im Italienischen „Testa di moro“ – taucht übrigens erstmals in einer blutrünstigen Geschichte aus dem Mittelalter auf. Um das Jahr 1100 soll auf Sizilien eine schöne Jungfrau am Fenster ihrer Villa die Blumen gegossen haben. Da erspähte sie einen vorbeispazierenden Offizier aus Afrika, der ihr gefiel. Man plauderte und verliebte sich bald ineinander… doch als sie herausstellte, dass er daheim schon zwei Frauen und zahlreiche Kinder hatte, schlug sie ihm den Kopf ab und – machte daraus einen Blumentopf. Nun sprossen an ihrem Fensterbrett die schönsten Geranien aus dem Schädel des Heiratsschwindlers. Bis heute wird in Süditalien ein landestypischer, tönerner Blumentopf in Form eines „Mohrenkopfes“ („Testa di moro") erzeugt und auch so benannt, der als Souvenir äußerst beliebt ist … Der einprägsame Begriff wird seither für verschiedenste Dinge oder Tiere mit auffallend schwarzem Kopf verwendet – so auch für den Farbschlag unserer Noriker.


Kontakt-Adressen (Auswahl)
Familie Ernst Kaswurm, Schlossstraße 17, 5550 Radstadt, Handy: 0664-22 66 294; E-Mail info@tauerncamping.at.

Familie Johann Lindenthaler, Schneiderwirtsstraße 18, 4820 Bad Ischl, Tel: 06132-24485 oder Caroline Kienberger, Handy: 0664-9102278.

Noriker-Zuchtbetrieb Postgut, Tweng bei Obertauern, Familie Christoph Klary, Tel: 06471- 20206, Handy: 0664-83 48 415.

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