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Unfall mit totem Pferd: So müssen Pferd und Reiter beleuchtet sein
21.11.2019 / Wissen

Bei Dämmerung und Dunkelheit gefährden unbeleuchtete Reiter sich und ihre Pferde – und sind auch ein Risiko für andere Verkehrsteilnehmer.
Bei Dämmerung und Dunkelheit gefährden unbeleuchtete Reiter sich und ihre Pferde – und sind auch ein Risiko für andere Verkehrsteilnehmer. / Symbolfoto: Archiv/Fotolia

Nach einem schweren Verkehrsunfall auf der Insel Usedom, bei dem eine Reiterin schwer verletzt und ein Pferd getötet wurde, weisen Experten nachdrücklich auf die geltenden Beleuchtungs- und Kennzeichnungspflichten für Reiter hin, die lt. Straßenverehrsordnung gelten.

 

Der schwere Verkehrsunfall zwischen einer Ausreit-Gruppe und einem PKW zeigt die Gefahren deutlich auf, denen Reiter und Pferde im Straßenverkehr ausgesetzt sind. Insgesamt fünf Pferde waren am Sonntag (17. Nov. 2019) mit ihren Reitern auf der B110 in Fahrtrichtung Garz auf der Insel Usedom unterwegs, als es gegen 17.10 Uhr zu der fatalen Kollision kam. Aufgrund der Dunkelheit und der nicht beleuchteten Pferde und Reiter kam es – so der Bericht des Polizeipräsidiums Neubrandenburg – zu einem Zusammenstoß zwischen dem PKW und einem Pferd. Die 25-jährige polnische Reiterin stürzte von ihrem Pferd und brach sich dabei einen Arm. Durch einen Rettungswagen wurde die schwerverletzte Reiterin zur weiteren Behandlung in ein Krankhaus nach Swinemünde gebracht. Das Pferd erlag noch am Unfallort seinen schweren Verletzungen. Der PKW – ein Opel Astra – wurde bei dem Verkehrsunfall so stark beschädigt, dass dieser einen Totalschaden erlitt und abgeschleppt werden musste. Der eingetretene Gesamtschaden beträgt ca. 10.000,– Euro. Es wurde ein Strafermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung eingeleitet. Warum die fünf Reiter bei Dunkelheit noch unterwegs waren, ist bislang nicht klar.

Gesetzeslage in Deutschland

Unfälle wie dieser sind für Experten immer wieder Anlass, nicht nur auf die allgemeinen Regeln für Verkehrsteilnehmer wie gegenseitige Rücksichtnahme, Einhalten von Sicherheitsabständen und angepasstem Tempo hinzuweisen, sondern auch auf die gesetzlichen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung (StVO). Diese gelten nicht nur für Autofahrer, sondern natürlich auch für Reiter, die auf der Fahrbahn unterwegs sind – und zumindest eine dieser Regeln ist hier offenkundig nicht ausreichend beachtet worden – nämlich die einer „ausreichenden Beleuchtung“,

Was dies genau bedeutet und umfasst, kann man u. a. in einer Zusammenstellung der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) nachlesen. Darin heißt es u. a.:

„Reiter/Innen müssen während der Dämmerung, bei Dunkelheit oder wenn die Sichtverhältnisse es sonst einfordern (z.B. Nebel, Schnee, Regen) ausreichend beleuchtet sein (§ 17 StVO).

Zur Beleuchtung müssen mindestens verwendet werden § 28 StVO (2): 1. beim Treiben von Vieh vorn eine nicht blendende Leuchte mit weißem Licht und am Ende eine Leuchte mit rotem Licht, 2. beim Führen auch nur eines Großtieres oder von Vieh eine nicht blendende Leuchte mit weißem Licht, die auf der linken Seite nach vorn und hinten gut sichtbar mitzuführen ist. Zusätzliche Leuchtgamaschen am Pferd und reflektierende Kleidung beim Reiter sind sehr zu empfehlen, ebenso die Stifelleuchte (links).

Eine größere Reitergruppe bildet einen "Verband". Im "geschlossenen Verband" (§ 27 StVO) setzen sich die Reiter zu zweit nebeneinander. Der Verband soll nicht länger als 25 m sein. Dicht aufgeschlossen sind das etwa 12 Reiter. 20 Reiter formieren sich z.B. in 2 Verbänden zu je 10 Reitern. Der Abstand zwischen den Verbänden sollte wiederum mindestens 25 m betragen, damit ein Überholen möglich ist. Da der Verband als ein Verkehrsteilnehmer gilt, braucht nicht jeder Reiter beleuchtet sein. Die seitliche Begrenzung geschlossen reitender oder zu Fuß marschierender Verbände muss, wenn nötig (§ 17 Abs. 1 StVO), mindestens nach vorn durch nicht blendende Leuchten mit weißem Licht, nach hinten durch Leuchten mit rotem Licht oder gelbem Blinklicht kenntlich gemacht werden. (Die Beleuchtung muss in eigenem Interesse auch von weitem gut zu sehen sein.) Auch hier ist die Verwendung zusätzlicher Leuchtgamaschen dringend zu empfehlen."

Gesetzeslage in Österreich

Auch in Österreich sieht die StVO eine entsprechende Beleuchtungspflicht für Reiter im Straßenverkehr vor. Wörtlich heißt es im § 79, Absatz 3: „Bei Dämmerung, Dunkelheit, starkem Nebel oder wenn es die Witterung sonst erfordert, müssen Reiter bei Benützung der Fahrbahn, wenn die sonstige Beleuchtung nicht ausreicht durch helleuchtende Laternen an der linken Seite gekennzeichnet sein.“

Im Unterschied zu Deutschland sieht Dr. Reinhard Kaun, gerichtl. beeideter Sachverständiger, diese individuelle Beleuchtungspflicht auch dann gegeben, wenn man in Gruppen unterwegs ist. Er präzisiert: „Auch in Gruppen hat m.A.n. jedes Pferd bzw. jeder Reiter der Beleuchtungspflicht nachzukommen, nur den Spitzenreiter und den Schlussreiter zu beleuchten, wird fachlich (z.B. bei Kurven) nicht ausreichen.“

Und er ergänzt: „Beleuchtung heißt in unseren Breiten: aktives Aussenden von Licht, in der Regel nach vorne – weißes Licht, nach hinten – rotes Licht. Reflektoren können aktive Beleuchtung also nicht ersetzen, sondern nur ergänzen.“ Als Ergänzung sind sie aber erfahrungsgemäß höchst sinnvoll und effektiv und daher jedenfalls zu empfehlen.

Besonders eindringlich weist Dr. Kaun darauf hin, dass Beeinträchtigungen der Sicht im Regelfall vorhersehbar sind und Reiter sich daher auch entsprechend vorbereiten und ausrüsten müssen: „Auf jedem Handy gibt es eine WetterApp, aus der sich Sonnenaufgang, Sonnenuntergang und andere Wetterphänomene wie Nebel, Regen, schlechte Sicht) ablesen lassen. Es bricht also im Herbst und Winter die Dämmerung nicht völlig unvorhersehbar herein und in Nebelgebieten muss mit Nebel gerechnet werden.

Die betroffenen Reiter sind meist keine Berufsreiter, die bei "Nacht und Nebel" unterwegs sein müssen – wenn das Risiko groß ist, kann ein "Vergnügungsritt" zu St. Leonhards Ehren auch abgesagt werden. Im Zweifel sind an die Spitze und das Ende klar erkennbare Begleitfahrzeuge zu setzen. Andere Verkehrsteilnehmer müssen auf Grund des § 3 StVO (Vertrauensgrundsatz) sich darauf verlassen können, dass Reiter ihrer Beleuchtungspflicht nachkommen.“

Welche Vorschriften und Vorsichtsmaßnahmen generell zu beachten sind, wenn man mit seinem Pferd auf öffentlichen Straßen und Wegen unterwegs ist, hat Dr. Reinhard Kaun im Beitrag „Sicheres Reiten & Fahren im Straßenverkehr“ zusammengestellt.

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