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Das Herz des Pferdes – ein Wunderwerk der Natur
25.02.2020 / Wissen

In der Brust eines Pferdes wohnt ein in jeglicher Hinsicht großes Herz, das es zu besonderen Leistungen befähigt ...
In der Brust eines Pferdes wohnt ein in jeglicher Hinsicht großes Herz, das es zu besonderen Leistungen befähigt ... / Symbolfoto: Simone Aumair

Pferde haben ein großes Herz – das kann man bildlich, aber auch wörtlich verstehen. Tatsächlich ist das Herz eines Pferdes ein Wunderwerk der Natur und in vielerlei Hinsicht einzigartig.

 

Das Pferdeherz wurde schon von vielen Dichtern besungen und mit Lobeshymnen überhäuft – es gilt als Symbol für Ehrlichkeit und Treue eines Pferdes und soll die besondere Eigenschaft haben, dass ihm die Menschenherzen wie von Zauberhand zufliegen (was alle Pferdefreunde freimütig bestätigen werden). Das Herz eines Pferdes ist zweifellos etwas ganz besonderes – nicht nur, weil es die menschliche Fantasie beflügelt, sondern weil es auch in der Lage ist, dem Pferd selbst Flügel zu verleihen und es zu ganz besonderen Leistungen zu befähigen. Dies wiederum hängt mit der besonderen Anatomie des Pferdeherzens zusammen.

Das Pferdeherz ruht in der Brusthöhle des Pferdes und erstreckt sich von der zweiten oder dritten Rippe bis zur sechsten Rippe in den unteren zwei Dritteln des Thorax. Das ganze Pferdeleben lang erfüllt es mit eindrucksvoller Zuverlässigkeit und Beständigkeit seine beiden Hauptfunktionen: das Pumpen von sauerstoff- und nährstoffreichem Blut durch den Körper und das Abführen von Abfällen wie etwa Kohlendioxid. Das ist im Wesentlichen bei allen Säugetieren so – dennoch machen viele interessante Merkmale das Herz eines Pferdes einzigartig.

Die Grundfrequenz des Pferdeherzens liegt normalerweise bei etwa 30 bis 40 Schlägen pro Minute. Bei Bedarf kann diese Rate jedoch dramatisch und blitzschnell auf eine maximale Rate von bis zu 250 Schlägen pro Minute emporschnellen – eine für das Fluchttier Pferd lebenswichtige Fähigkeit, da es in der Lage sein muss, einem plötzlich auftauchenden Raubtier buchstäblich innerhalb eines Herzschlags zu entkommen. Das Geheimnis hinter dieser erstaunlichen Begabung des Pferdes, seine Herzfrequenz – und damit seine physische Leistungsfähigkeit – gleichsam explosionsartig steigern zu können, ist die besondere Art der elektrischen „Verkabelung“, durch die sich die Herzmuskeln blitzartig zusammenziehen können.

Pferde haben ein sogenanntes Typ-B-Herz, wie es in Fachkreisen bezeichnet wird – das bedeutet, dass das elektrische Leitungssystem im gesamten Herzmuskel verteilt ist, was eine schnelle Erhöhung der Kontraktilität (also der Blutpumpfähigkeit) ermöglicht. Bei jeder Kontraktion wird etwa ein Liter Blut aus dem Herzen ausgestoßen. Um den Bedarf an Sauerstoff und Nährstoffen bei Belastung bzw. während des Trainings zu decken, erhöht das Herz nicht nur die Kontraktionsfrequenz, sondern auch das mit jedem Schlag beförderte Blutvolumen: Bei intensiver Arbeit kann das mit jedem Herzschlag gepumpte Blutvolumen um fast 50% zunehmen – Organe und Muskulatur werden daher mit erheblich mehr Sauerstoff versorgt, was das Pferd zu einem besonders leistungsfähigen Athleten macht. Insgesamt fließen im Körper des Pferdes etwa 50 Liter Blut.

Das Herz eines Menschen schlägt im Vergleich etwa 60 Mal pro Minute, und die maximale Herzfrequenz beträgt etwa 220 Schlägen / Minute. Während sich also die Herzfrequenz eines Pferdes bei Belastung um das Achtfache erhöhen kann, schaffen selbst menschliche Elite-Sportler nur eine Steigerung um das Viereinhalbfache der Ruhewerte. Und auch kaum ein anderer tierischer Athlet kommt auch nur in die Nähe der eindrucksvollen Steigerungs-Werte des Pferdes.

Das Herz eines durchschnittlichen Pferdes wiegt ungefähr 1% seines Körpergewichts. Ein normales Pferd mit einem Gewicht von 400 bis 450 kg hat also ein Herz mit einem Gewicht von etwa 4 bis 4,5  kg. Das tatsächliche Herzgewicht variiert in Abhängigkeit von der Rasse und anderen individuellen Faktoren (z. B. dem Trainingszustand).

Über die Größe und das Gewicht des Pferdeherzens kursieren zahlreiche Mythen und Legenden – eine der bekanntesten ist wohl jene des Vollblüters Secretariat, der über ein besonders großes Herz verfügt haben soll: Es habe angeblich an die 10 kg gewogen (häufig ist auch die Zahl 9,6 kg zu lesen), also mehr als das Doppelte eines normalen Pferdeherzens. Diese Geschichte hat zwar einen wahren Kern – Faktum ist aber, dass der Tierarzt, der 1989 die Autopsie durchführte, nämlich Dr. Thomas Swerczek, Chefpathologe an der Universität von Kentucky, dabei das Herz von Secretariat nicht abgewogen hat. Es wurde lediglich eine Beschau des Herzens durchgeführt – bei der sich Dr. Swerczek freilich von dessen ungewöhnlicher Größe beeindruckt zeigte: „Wir standen nur in fassungslosem Schweigen da. Wir konnten es nicht glauben. Das Herz war perfekt. Es zeigte auch nicht den geringsten Fehler. Es war nur ein einziger riesiger Motor", so seine Worte. Wenige Jahre später führte Dr. Swerczek auch eine Autopsie an Sham durch, einem hochkarätigen Gegner Secretariats, der 1993 gestorben war. Diesmal wog Dr. Swerczek Shams Herz – und es war beachtliche 8,2 kg schwer. Basierend auf Shams Messung und nachdem er beide Pferde obduziert hatte, schätzte Dr. Swerczek, dass das Herz Secretariats wohl an die 22 Pfund (= 9,9 kg) oder etwa das 2,5-fache eines durchschnittlichen Pferdeherzens (3,9 kg) gewogen haben muss, und diese Geschichte fügte der Legende des vielleicht besten Rennpferdes aller Zeiten eine weitere eindrucksvolle Facette hinzu ...

Weitere tierische Herz-Helden …

Auch wenn das Pferde-Herz in vielerlei Hinsicht einzigartig und ein Wunderwerk der Natur ist, so lohnt auch noch ein abschließender Blick auf einige andere Tierarten, die sich ebenfalls durch außergewöhnliche „Herz-Werte“ auszeichnen:

– Das größte Herz hat der Blauwal, der bei einem Körpergewicht von 100 Tonnen ein Herzgewicht von 600 kg und ein Schlagvolumen von 350 Litern erreicht. Seine Herzfrequenz liegt in Ruhe bei 6 Schlägen pro Minute – bei einem Tauchgang kann sie sogar auf 2 bis 3 Schläge pro Minute abfallen.

– Das vermutlich kleinste Herz aller Säugetiere hat die Etruskerspitzmaus. Bei einem Körpergewicht von 2 g beträgt das Herzgewicht 12 mg und das Schlagvolumen 1,2 µl. Die Ruheherzfrequenz von 800 bis 1.200 Schlägen pro Minute (= 13 bis 20 Schläge pro Sekunde!) kann bei körperlicher Anstrengung bis auf 1500 Schläge pro Minute (25 Schläge pro Sekunde) gesteigert werden – ein Rekordwert in der Tierwelt.

– Bemerkenswert ist auch das Herz des Kolibris: Es schlägt im Normalzustand – wenn der Kolibi etwa auf einem Zweig sitzt – unglaubliche 400 bis 500 Mal pro Minute, im Flug und bei großer Anstrengung kann es über 1.200 Mal pro Minute schlagen, eine gewaltige Leistung! Sehr ungewöhnlich ist auch die Atemfrequenz mit rund 250 Zügen pro Minute. Während des Schlafes sinkt die Herzfrequenz ab, um Energie zu sparen. In Mangelsituationen kann sich der Kolibri in einen besondere Starrezustand, Torpor genannt, versetzen, seinen Herzschlag auf etwa 40 Schläge pro Minute verlangsamen und auch seine Körpertemperatur herabsetzen.

– Eine Sonderstellung nimmt die Giraffe ein, die auf Grund des Höhenunterschieds von etwa zwei Metern zwischen Herz und Gehirn einen höheren Blutdruck benötigt. Je nach Quelle liegt dieser bei 300/230 oder 280/180 mmHg – und ist damit der höchste aller Säugetiere. Um den hohen Druck aufzubauen, liegt die Herzfrequenz bei für Tiere dieser Größe ebenfalls sehr ungewöhnlichen 170 Schlägen pro Minute.

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